Eissings Gedanken, Texte Bücher
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Fundstelle 4: Licht geben lassen

„Als der Verfasser zum General Yorck ins Zimmer trat, rief ihm dieser entgegen: „Bleibt mir vom Leibe, ich will nichts mehr mit euch zu tun haben. Eure verdammten Kosaken haben einen Boten Macdonalds durchgelassen, der mir den Befehl bringt, auf Piktupöhnen zu marschieren, um mich dort mit ihm zu vereinigen. Nun hat aller Zweifel ein Ende, eure Truppen kommen nicht an, ihr seid zu schwach, ich muß marschieren und verbitte mir jetzt alle weiteren Unterhandlungen, die mir den Kopf kosten würden.“ Der Verfasser sagte, dass er dem General hierauf nichts entgegnen wolle, dass er ihn aber bäte, Licht geben zu lassen, weil er ihm einige Briefe mitzuteilen habe, und da der General noch zu zögern schien, setzte der Verfasser hinzu: „Euer Exzellenz werden mich doch nicht in die Verlegenheit setzen wollen abzureisen, ohne meinen Auftrag ausgerichtet zu haben.“ Der General Yorck ließ hierauf Licht geben und aus dem Vorzimmer seinen Chef des Generalstabes, den Obersten Roeder, hereintreten. Die Briefe wurden gelesen. Nach einem augenblicklichen Nachdenken sagte General Yorck; „Clausewitz, Sie sind ein Preuße, glauben Sie, dass der Brief des Generals d’Auvary ehrlich ist und dass sich die Wittgensteinschen Truppen am 31. wirklich auf den genannten Punkten befinden werden? Können Sie mir Ihr Ehrenwort darauf geben?“ Der Verfasser erwiderte: „Ich verbürge mich Eurer Exzellenz für die Ehrlichkeit des Briefes nach der Kenntnis, die ich vom General d’Auvray und den übrigen Männern des Wittgensteinschen Hauptquartiers habe; ob diese Dispositionen so ausgeführt sein werden, kann ich freilich nicht verbürgen, denn Euer Exzellenz wissen, dass man im Kriege mit dem besten Willen oft hinter der Linie zurückbleiben muß, die man sich gezogen hat.“ Der General schwieg noch einige Augenblicke ernsten Nachdenkens, reichte dann dem Verfasser die Hand und sagte: „Ihr habt mich. Sagt dem General Diebitsch, dass wir uns morgen früh auf der Mühle von Poscherun sprechen wollen und daß ich jetzt fest entschlossen bin, mich von den Franzosen und ihrer Sache zu trennen.“ 

 

Quelle: Carl von Clausewitz: Der russische Feldzug von 1812 (Magnus-Verlag), S. 180f.

Fundstelle 3: Weltenende von Jakob van Hoddis

Weltenende

von Jakob van Hoddis (1910)

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei.
Dachdecker stürzen ab und gehen entzwei
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken,
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.


Van Hoddis, alias Hans Dawidsohn, konvertierte unter dem Einfluss von Emmy Hennings zum katholischen Glauben. 1933 kam er in die Heilanstalt Sayn, von wo er deportiert wurde, ermordet in Belzec oder Sobibor.

Fundstelle 2: Carl von Clausewitz

„Der Krieg ist mehr für den Verteidiger als für den Eroberer da, denn der Einbruch hat erst die Verteidigung herbeigeführt und mit ihr erst den Krieg. Der Eroberer ist immer friedliebend (wie Bonaparte auch stets behauptet hat), er zöge ganz gern ruhig in unseren Staat ein; damit er dies aber nicht könne, darum müssen wir den Krieg wollen und also auch vorbereiten, d. h. mit anderen Worten: es sollen gerade die Schwachen, der Verteidigung Unterworfenen, immer gerüstet sein und nicht überfallen werden; so will es die Kriegskunst.“

 

Carl von Clausewitz.

Fünftest Kapitel: Charakter der strategischen Verteidigung

Fundstelle 1: Mose ben Maimon: Acht Kapitel. Eine Abhandlung zur jüdischen Ethik und Gotteserkenntnis, Hamburg 1992

Auszug aus einem Interview von Paula Hirth 1971

mit Yeshayahu Leibowitz  (Mose Ben Maimonides):

 

Frage: Could you in any way define the idea of God? Is it a spirit? A force?

Leibowitz: Force is a physical notion. God has no attributes. The whole essence of Jewish theology for the past 1800 years is a denial of the attributes of God.

Frage: Nonetheless, He is fierce, He promises and punishes …

Leibowitz: He has all attributes contradicting themselves because He has not attributes. The attributes of God are just outpourings of human feelings. God with attributes is a pagan idol, and therefore Judaism considers Christianity a pagan religion.

Frage: If God’s attributes are an outpouring of human feelings, then maybe the very idea of God is also an outpouring of human feelings. C. G. Jung said that if there were no God we would have to create him ­– as a psychological crutch.

Leibowitz: That’s what Voltaire said 200 years before Jung – Jung had no original ideas.

Frage: But is there any validity in it?

Leibowitz: No. Religion is not a human necessity. Of course paganism – and may be Chistianity – is a human necessity. But belief in God – not and idol but God – goes counter to all human feelings and human interests.

Frage: Does religious faith require love of God?

Leibowitz: How can a man love God? Love is an anthropomorphic idea. I can love my friend. I can love my wife, I can love other woman, too; I cann love my country, I can love science, I can love myself. But how can a man love God? Of course, Shema starts with “You shall love your God”, yes? But the meaning of the love of God is just fulfilling the Law. In the Bible there is only one person who is called a lover of God – that is Abraham. He took his son and went to sacrifice him to God, against all human sentiment and human feelings. For God, he rejected all human values. You see, there is no bridge between humanistic values and religious values. Humanism and religion cannot be joined. A religious person rejects humanism.

Frage: Is not “Love thy neighbour … “ part of the religion?

Leibowitz: That is a commandment!

Frage: Can you love on command?

Leibowitz: Certainly you cannot fulfil the Law. Divine Law cannot be fulfilled – because it is Divine. It never was and it never will be fulfilled. Religion is only the struggle to accomplish this. In one of the most important document of Jewish Law, the first line is, “A man should rise in the morning like a lion, trying to serve God”. A man cannot serve God, it is impossible – it’s a pagan notion – but he can try.

Frage: What for?

Leibowitz: Religion is an end, not a means. The service of God is an end not a means. Religion that means something – religion for the sake of ethics, religion for the sake for morality, religion for the sake of a nation, for humanity, for society – that is a prostitution of religion. Judaism is a theo-centric religion. Therefore Christianity is the opposition of Judaism – Christianity is an anthropo-centric religion. Christianity’s God is for the sake of Man, Judaism’s Man is for the sake of God.

 

Aus: Mose ben Maimon: Acht Kapitel. Eine Abhandlung zur jüdischen Ethik und Gotterkenntnis, Hamburg 1992 (Meiners)

https://meiner.de/acht-kapitel-8742.html

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© Dr. Uwe Eissing